Künstlerin · Malerei

TANGO DIALOGE – EINFÜHRUNG

  • Romy Musholt

Einführung von Dr. Stela Popescu-Böttger (KHP Ateliers, Düsseldorf)

Der argentinische Tango hat sich in Deutschland seit den 80er Jahren wieder zu einer festen kulturellen Größe entwickelt. In den 20er/30er Jahren des letzten Jahrhunderts war er der Ausdruck des dernier cri einer exzentrisch gestimmten Gesellschaft, die exotische Fluchtpunkte verfolgte. Das Live-Orchester war fester Teil einer Inszenierung, die sowohl oben auf der Bühne, wie auch unten im Publikum ihren schrägen Charme entfaltete. Es war das erotische und skandalöse Element im Tanz, die Provokation, die hervorstach, die Menschen berauschte und diesen besonderen Kick verursachte. Heute wird niemand mehr von einem hochgeschlitzten Kleid aus der Façon gebracht. Alles geht: die aufregende Abendrobe, die zerschlitzten Jeans, Pfennigabsätze, flaches Schuhwerk – oder alles quer kombiniert; Nadelstreifenanzug mit Weste und schwarz-weißen Schuhen ist ebenso auf dem Parkett zu finden wie Schlabber T-Shirt, Shorts und Sandalen … Heute ist es die Intensität der Musik, die Umarmung, auch die gesellschaftliche Geborgenheit, gegossen in eine intellektuelle Form, die die Menschen auf die Milongas treibt. Die Herausforderung des Tanzes, der mit jeder Tanda neu Tänzerin und Tänzer vor die Aufgabe der Improvisation stellt, mit der Verheißung gemeinschaftlichen Dahinfließens. Die DJs sind die heimlichen Herrscher der Milongas und Live-Musik ist ein Luxus, der begeistert und mitreißt. Die Distanz zwischen Musikern und Tangueras und Tangueros hat sich verkürzt und ist persönlicher geworden – kleine Bühnen und Tanzflächen tragen ebenso dazu bei, wie die Tatsache, dass man sich schon öfter gesehen hat – in Buenos Aires oder hier. Die weite Welt ist hier angekommen.

Romy Musholt thematisiert in ihren Werken dieses Lebensgefühl und diese eigene Welt des zeitgenössischen Tangos mit seiner Szenerie und seinen Spielformen auf wundervolle Weise. Das wohltemperierte „Paarsein“ im argentinischen Tango wird von der Künstlerin auf ganz eigene Art fesselnd geschildert. Romy Musholt schafft es, das Private ganz delikat in die Öffentlichkeit zu tragen, sei es in der Darstellung eleganter Schautänze oder in den Close-ups und Momentaufnahmen der Innigkeit alltäglicher Milongas.

Die Gemälde von Romy Musholt sind wahre Zeitzeugnisse unserer aktuellen Tangokultur: überall erkennen wir bekannte Milongas und bekannte Gesichter wieder – ein déja vu indem wir uns zuhause fühlen und wiedererkennen. Sei es in Buenos Aires oder hier um die Ecke, ihre Bilder vermitteln die intensive Verwurzelung der Tango-community hier und dort in ihrem ureigenen Kosmopolitismus. „In den vielschichtig gestalteten Milongaszenen geht es mir darum, den Tango als soziales Gebilde zu erfassen, als Lebenskunst und ganzheitliche Beziehungskultur“, schreibt Romy in ihren Gedanken zu meiner Malerei. Aussagekräftig und in dunklem Bunt hält sie uns den Spiegel unserer Tangoszene vor. Die meisten abgebildeten Personen existieren tatsächlich – Genremalerei und Portraitmalerei werden gekonnt miteinander verquickt: Sophia Paul und Julio César Calderón tanzen in Berlin, María Belén und Santiago Giachello in Wuppertal – im Hintergrund des Bildes sind auf dem Festival z.B. Carsten Heveling sowie Sven Froese zu erkennnen! Das Sexteto Milonguero spielt live vor einer tanzenden Gesellschaft, der unsrigen! Auch – kurz vor seinem Tod – Dany el Flaco, Milonguero-Urgestein aus Buenos Aires und Freund von Romy und Rainer – ihrem Mann, dem Photographen, der viele Szenen für Romys Bilder vorab festgehalten hat. Die innigen Augenblicke des „Tango-Dialogs“ – ein Leitmotiv ihrer Bilder – lösen sich auf in der Spannung des kommenden Impulses im Frage und Antwortspiel.

Dr. Stela Popescu-Böttger, KHP Ateliers Düsseldorf, 2019